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Das Schaumweinprojekt

Die kleinen roten Beeren an der Traube hängen teilweise eng zwischen Draht und Stock. Vorsichtig versuche ich sie rauszuschneiden, ohne eine anzuquetschen. Rund und kräftig hängen sie da. Manchmal sehe ich sie kaum unter den vielen Blättern. Es ist erlaubt, einige von ihnen abzunehmen, damit wir, Erntehelfer, Sicht auf die Trauben haben. „Rote Trauben heben sich ja noch deutlich ab, aber wie muss das erst bei den hellen sein“, denke ich. Immer wieder falle ich hinter die anderen zurück. „Schneller“, denke ich. Aber ich will auch nichts falsch machen und vor allen Dingen, keine Beere kaputt machen.

Es ist Anfang September 2018 und ich lese das erste Mal Trauben. Wir stehen in einer Spätburgunderparzelle bei Oberemmel. Anfang September, das ist früh für eine Traubenlese hier an der Saar. Wir sind die ersten im Dorf, die draußen im Weinberg stehen und die Ernte reinholen.

Vor wenigen Tagen war ich schon im Weinberg bei der Lese dabei, habe zugeschaut und Fragen gestellt. Für meinen Film, einen Film über Jungwinzer an Saar und Obermosel. Simon Ollinger in Perl am Moseltor hat noch früher mit der Lese angefangen als mein Freund an der Saar. Simon Ollinger hat Sektgrundwein gelesen in einer Spätburgunderparzelle. Und jetzt machen wir das auch.

„Witzig“ denke ich. Eine Rebzeile hoch, eine Rebzeile runter. Wir sind zu viert. Mein Freund, seine Seniorchefin, ein Freund aus dem Dorf und ich. Ich höre ihrem Gespräch zu, aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab: „Wann muss ich hier weg? 13 Uhr? Halb zwei sollte ich im Auto zur Arbeit sitzen“. Ich pendele jeden Tag nach Saarbrücken. Heute beginnt mein Dienst um 15 Uhr. Ich lese dann die Beitragstexte meiner Kollegen und vertone sie mit Ihnen. Also eine Art Filmabnahme für unsere Sendung am Abend.

Nächster Rebstock, neuer Eimer. Irgendwie entspannt mich die Arbeit.

Sektgrundwein sollte früher gelesen werden. Denn der Zuckergehalt soll gar nicht so hoch sein, dafür aber die Säure. Der Zucker wird im Keller bei der ersten Gärung in Alkohol umgewandelt. Da Schaumwein auf der Falsche allerdings eine zweite Gärung durchläuft, der Alkoholgehalt also nochmal steigt, ist ein zu hoher Zuckergehalt bei der Lese gar nicht unbedingt erwünscht.

Nach einigen wenigen Reihen sind wir fertig. Es ist 12 Uhr. Erst in ein paar Tagen wird Peter, mein Freund, mit der Hauptlese beginnen. Ich gehe heim, ziehe mich um, fahre zur Arbeit.

Im Weingut geht die Arbeit weiter: Die Trauben kommen in die Presse. Es entsteht ein trüber Most, der über Nacht vorgeklärt wird. Schließlich wird ein Teil des klaren Safts im Edelstahltank im Keller, der andere Teil in einem alten Holzfass spontanvergoren.

15 Monate später:



„Nelly, ich habe den Crémant dabei“. Peter steht mit einem breiten Grinsen im Flur, in der Hand eine grüne Sektflasche. Er bringt Kälte mit in die warme Wohnung. Mütze auf dem Kopf, dicke Jacke an. „Der ist aber noch nicht fertig?“, frage ich.

Nachdem der Sektgrundwein die erste Gärung im Keller durchlaufen hatte, hat Peter sowohl den Teil aus dem Edelstahltank, als auch den aus dem Holzfass, in einem Behälter zusammen zum Versekter nach Trier gefahren. Dort wurde er in Flaschen gefüllt, zusammen mit der Fülldosage, einer speziellen Hefe und Zucker und mit einem Kronkorken, ähnlich wie auf einer Bierflasche, verschlossen. In speziellen Lagerräumen durchläuft er die zweite Gärung in der Flasche. Dabei entstehen, dann auch die CO2 Bläschen

„Ne, ich war nur neugierig, ich habe den jetzt selbst degorgiert“, sagt Peter. Also, er hat ihn auf dem Kopfstehend gerüttelt, so setzt sich die Hefe im Flaschenhals ab. Anschließend hat er den Kronkorken entfernt und die Hefe abgelassen. Beim Warmdegorgieren verliert man mehr vom Schaumwein, es ist nicht so sauber. Deswegen wird, will man den Schaumwein verkaufen, kaltdegorgiert. Dabei wird der Flaschenhals vereist, bevor die Hefe entnommen wird.

Trüb, ein bisschen lachsfarben sieht die Flüssigkeit im Glas aus. Ich rieche: brotig-hefig, dezente Frucht. Ich nehme einen Schluck in den Mund, die Bläschen prickeln auf meiner Zunge, es schmeckt herb.

Irgendwie ist das auch mein Projekt. Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir aus Spätburgundertrauben einen Crémant machen wollen. Es war meine erste Traubenlese. Ich bin ein bisschen stolz und neugierig, wie der Crémant ganz fertig riechen und schmecken wird.

Ich spucke den Schluck aus, ins Waschbecken. Leere mein Glas ebenfalls dorthin aus. Peter kippt die Flasche aus. Mindestens ein weiteres Jahr wird es dauern bis der Crémant auf den Markt kommen wird. Nach dem Kaltdegorgieren, wird noch die Versandtirage dazu gegeben. Das ist ein bisschen Süßwein, Schwefel und von dem Crémant, damit die Flasche voll ist.

Da will ich auf jeden Fall dabei sein. Nur gedulden muss ich mich noch.

Eure Nelly



Insta: @nellyelismiles

Twitter: @NellyETheobald

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